Säugetiere Luxemburgs: Ein neues Buch und mehr Schutzräume

Am Mittwoch wurde im Haus vun der Natur auf Kockelscheuer im Beisein von Umweltministerin Carole Dieschbourg die aktuelle Situation der Säugetiere Luxemburgs und ein neues Buch zu den Säugetieren Luxemburgs der Presse vorgestellt. Auch wenn mittlerweile fast zwei Drittel aller einheimischen Säugetierarten auf dem Papier geschützt sind, so geht es vielen dennoch nicht sonderlich gut. Dies ist vor allem auf die schleichende Zerstörung und Zerschneidung ihrer Lebensräume zurückzuführen, sowie auf deren Verarmung durch Überdüngung und Pestizideinsatz in der Landwirtschaft.

„Säugetiere Luxemburgs“ von Jan Herr & Laurent Schley

Der Fuchs dürfte in Luxemburg wohl allseits bekannt sein: einerseits als Renert, Hauptprotagonist unserer Literatur, andererseits durch den unermüdlichen Einsatz des leider viel zu früh verstorbenen Staatssekretärs Camille Gira gegen die sinnlose Jagd auf diese Tierart. Viele andere Säugetiere Luxemburgs dürften jedoch weit weniger Menschen hierzulande ein Begriff sein. Dies soll sich dank des neu erschienenen Buchs „Säugetiere Luxemburgs“ nun ändern. Da leider auch unsere Säugetiere mit vielen Gefährdungen zu kämpfen haben, wird neben den Artenbeschreibungen auch der Schutz dieser Tiere auf verschiedenen Ebenen thematisiert.

Was sind Säugetiere?

Säugetiere sind eine weltweit über 6350 Arten umfassende Tierklasse, die nach dem Aussterben der Dinosaurier mit Ausnahme der Antarktis quasi unseren gesamten Planeten dauerhaft besie¬deln konnte. Ihre sehr unterschiedli¬chen Körperformen verraten vielfältige Anpassungen an bestimmte Lebensbe¬dingungen; die Form des Gebisses ist dessen Funktion bei der Nahrungsauf¬nahme angepasst.

Alle Säugetiere teilen sich einige gemeinsame Merk¬male: So sind sie warmblütig, d.h. sie können in gewissen Grenzen ihre Kör¬pertemperatur unabhängig von der Umgebungstemperatur konstant hal¬ten. Des Weiteren ernähren sie ihre Jun¬gen mit Milch, die in den Milchdrüsen der Mutter gebildet wird, und besitzen ein Haarkleid, das jedoch bei verschie¬denen Gruppen in unterschiedlichem Ausmaß reduziert ist. Bis auf die Kloakentiere (Ameisenigel und Schnabeltier), die Eier legen, brin¬gen alle anderen Säugetiere lebende Junge zur Welt.

Säugetiere in Luxemburg

Luxemburgs Säugetiere sind sehr vielfältig. Sie reichen von der knapp sechs Gramm leichten Nymphenfledermaus bis hin zum Rothirsch mit seinen 250 Kilogramm und seinem imposanten Geweih. Insgesamt sind die Säugetiere mit 8 Ordnungen bei uns vertreten. Wie viele Arten es jedoch insgesamt in Luxemburg gibt ist schwieriger zu sagen, da einige unter ihnen, wie der Luchs, der Europäische Nerz oder die Kleine Hufeisennase mehr oder weniger rezent ausgestorben sind, während andere als sogenannte Neozoen (insgesamt sieben, darunter Waschbär, Muffel, Wanderratte oder Nutria) hinzugekommen sind. Andere wiederum konnten bei uns nur sporadisch nachgewiesen werden (z.B. Teichfledermaus oder Fischotter) oder es liegen schlichtweg keine rezenten Daten vor (z.B. Feldspitzmaus). Alles in allem kann man aber von 72 Arten ausgehen die für Luxemburg relevant sind: zwei Hasenartige, sechs Paarhufer, 14 Raubtiere, 21 Fledertiere, ein Igelartiger, acht Spitzmaus-verwandte, 19 Nagetiere und natürlich auch wir Menschen als einzige Vertreter der Primaten.

Von all diesen Säugetieren die in Luxemburg leben gibt es allerdings nur wenige die man häufig beobachten kann. Dies sind vor allem Kulturfolger wie Rotfuchs, Steinmarder, Reh oder Wildschwein die in unserer Kulturlandschaft prächtig klarkommen. Die meisten Säugetiere leben jedoch eher versteckt und sind nachtaktiv. Sie sieht man selten. Außerdem haben doch viele Säugetiere sich nicht so gut an die durch den Menschen stark beeinträchtigte Umwelt anpassen können.

Gefährdungen

Das seit Jahrzehnten anhaltende ökonomische Wachstum, welches hierzulande zu Wohlstand geführt hat, geht leider auch auf Kosten der Natur und damit auch der Säugetiere. 2015 waren in Luxemburg rund 10% der Landesfläche verbaut. 1990 lag dieser Wert noch bei 4,3%. Die Urbanisierung dieser Flächen entzieht der einheimischen Fauna potentiellen Lebensraum und trägt dazu bei, dass größere zusammenhängende Lebensräume zerschnitten werden und ihre ökologische Funktionalität verlieren. Dieses ist in Luxemburg besonders gravierend, hat doch eine europaweite Studie gezeigt, dass Luxemburg das bei weitem am meisten zerschnittene Land Europas ist. Die zahlreichen Igel, Marder, Füchse, Dachse und andere Säugetiere die man tagtäglich tot auf unseren Straßen sieht zeugen davon.

Auch die Landwirtschaft macht vielen Säugetierarten zu schaffen. Im Laufe der letzten Jahrzehnte sind viele Lebensräume der traditionellen Kulturlandschaft der landwirtschaftlichen Intensivierung zum Opfer gefallen. Unter anderem im Rahmen der Flurbereinigung wurden Feuchtgebiete trockengelegt, Strukturelemente wie Hecken und Einzelbäume aus der Landschaft entfernt, Streuobstwiesen in Grünland oder Acker umgewandelt. Dies führte zu einer starken Verarmung der Landschaft. Ausreichend Rückzugsräume, Versteckmöglichkeiten und Nahrungsräume fehlen vielen Arten. Erschwerend kommt dazu der großflächige Einsatz von Pestiziden, welche die Nahrungsgrundlage vieler Säugetiere direkt oder indirekt beeinträchtigen, indem sie Insekten, bzw. für Insekten wichtige Futterpflanzen abtöten.

Boten menschliche Siedlungen früher noch vielen Säugetieren gute Bedingungen, so ist dies heute immer weniger der Fall. Mal abgesehen von den paar Kulturfolgern, kämpfen die meisten Arten mit dem klar erkennbaren Wandel im Erscheinungsbild unserer Dörfer. Viele alte Gebäude werden abgerissen oder durch Renovierungsarbeiten für z.B. Federmäuse unzugänglich gemacht. Durch die dichtere Bebauung gehen ebenfalls viele innerörtliche Grünflächen verloren. Dazu kommt bei vielen Luxemburgern ein doch recht ausgeprägter Sauberkeitsfimmel, der dazu führt, dass unsere Ortskerne und besonders die Privatgärten oft zu sterilen Flächen verkommen, die für Igel, Fledermäuse, Bilche und Co. ohne jegliches Interesse sind.

Artenschutz

In Luxemburg stehen 42 Säugetierarten unter striktem Artenschutz, darunter alle aktuell in Luxemburg vorkommenden Fledermausarten. Damit ist es verboten Individuen und Populationen dieser Arten zu stören, zu töten, zu jagen, zu fangen oder in Gefangenschaft zu halten. Hinzu kommt, dass ihre Ruhe-, Fortpflanzungs- und Überwinterungsstätten weder zerstört noch negativ beeinträchtigt werden dürfen.
Dieser nationale Schutz basiert größtenteils auf der europäischen Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH) von 1992. Der rein nationale Schutz bezieht sich jedoch darüber hinaus auch auf Arten, die durch die FFH-Richtlinie nicht abgedeckt sind. So sind bei uns zusätzlich unter anderem Dachs, Mauswiesel, Eichhörnchen, Zwergmaus, Igel und Wasserspitzmaus geschützt.

Der strenge Artenschutz auf dem Papier trägt seine Früchte aber lediglich bei Arten, deren Bestandsrückgänge mit der direkten Verfolgung durch den Menschen zu erklären sind. Sind diese Tiere erst einmal geschützt und es wird ihnen nicht mehr nachgestellt, so erholen sich ihre Bestände, manchmal sogar relativ schnell. Dies trifft z.B. auf den Dachs zu, der durch die Begasung der Baue zur Eindämmung der Tollwut in Luxemburg und den umliegenden Regionen fast ausgestorben war. Seit er unter Schutz gestellt wurde und solche archaischen Praktiken nicht mehr erlaubt sind, sind die Bestände dabei, sich zu erholen. Auch der Europäische Biber wurde einst bis zur Ausrottung gejagt. Nachdem er in Nachbarregionen wie Belgien und dem Saarland aktiv wiedereingebürgert wurde, ist er jetzt dabei auch Luxemburg wieder zu besiedeln. Auch die seit 25 Jahren anhaltende Wiederausbreitung des Wolfs in Europa lässt sich mit seiner Unterschutzstellung sehr einfach erklären.

Schutzgebiete

Bei Arten, deren Bestandsrückgänge durch Lebensraumverlust und -verschlechterung zu erklären sind, trägt der alleinige Schutz auf dem Papier jedoch kaum Früchte. Dies betrifft die meisten bedrohten Säugetierarten Luxemburgs. Durch die Ausweisung von Schutzgebieten sollen noch intakte Lebensräume auf lange Zeit erhalten werden, bzw. wieder attraktiver entwickelt werden. In Luxemburg setzt der Gebietsschutz auf zwei Ebenen an.

Einerseits ist Luxemburg seinen europäischen Verpflichtungen nachgekommen und hat insgesamt 66 Natura-2000-Gebiete ausgewiesen, welche 27% der Landesfläche ausmachen. Natura 2000 ist ein EU-weites Netzwerk von Schutzgebieten, welches auf der FFH-Richtlinie sowie der Vogelschutzrichtlinie basiert. Diese Gebiete widmen sich dem Erhalt von bestimmten Lebensräumen und Arten. In Luxemburg gelten unter den Säugetieren sechs Fledermausarten (Bechsteinfledermaus, Großes Mausohr, Wimperfledermaus, Große Hufeisennase, Mopsfledermaus und Teichfledermaus), sowie zwei semi-aquatische Säugetiere (Europäischen Biber und Fischotter) zu den Zielarten dieser Natura-2000-Gebiete. Auch wenn letztendlich nur für einen kleinen Teil der hierzulande vorkommenden Säugetierarten spezielle Natura-2000-Gebiete ausgewiesen wurden, so sollten von den dadurch erhaltenen zusammenhängenden Lebensräumen jedoch wesentlich mehr Arten profitieren. Eine für Vögel optimal erhaltene Landschaft ist auch für Fledermäuse interessant. Schützt man optimale Nahrungsräume für Greifvögel, so geht es in letzter Konsequenz darum, deren Nahrungsangebot, also Kleinsäuger, zu erhalten, wovon wiederum Raubtiere wie Mauswiesel, Hermelin, Iltis oder Wildkatze profitieren.

Die zweite Ebene des Gebietsschutzes in Luxemburg ist die Ausweisung nationaler Naturschutzgebiete. Sie sind in der Regel deutlich kleiner als Natura-2000-Gebiete, geben aber striktere Vorgaben, welche Aktivitäten hier verboten sind (z.B. Bebauung, Pestizid- und Düngereinsatz oder Entwässern von Feuchtgebieten). Zurzeit gibt es in Luxemburg 58 Naturschutzgebiete. Weitere 67 Gebiete sollen laut 2. Nationalen Naturschutzplan hinzukommen. Diese liegen meist innerhalb der Natura-2000-Gebietskulisse und sollen so den wertvollsten Kernzonen stärkeren Schutz gewähren, bzw. wichtige Korridore erhalten. Auch nationale Naturschutzgebiete werden selten speziell für Säugetiere ausgewiesen. Hier ist eher die landesweite Schutzgebietskulisse zu betrachten und den dadurch entstehenden Verbund zwischen Lebensräumen, von dem auch unsere Säugetiere profitieren.

Schutzmaßnahmen

Nichtsdestotrotz genügt auch die Ausweisung großer Schutzgebiete nicht, wenn keine Maßnahmen proaktiv umgesetzt werden, welche den Erhalt, die Entwicklung, die Wiederherstellung und die Vernetzung der für Säugetiere wichtigen Lebensräume fördern. Aus diesem Grund wurden für eine Reihe von prioritären Arten, wie Wildkatze, Biber, Wolf, Große Hufeisennase, Bechsteinfledermaus, Wimperfledermaus und Mopsfledermaus sogenannte Artenschutzpläne ausgearbeitet. Hier werden Maßnahmen vorgeschlagen, um diese Arten gezielt zu fördern, oder ein konfliktfreies Zusammenleben mit dem Menschen zu ermöglichen. Sie reichen vom konsequenten Schützen von Quartierbäumen für Waldfledermäuse, über den Bau von Grünbrücken, bis hin zu Ausgleichszahlungen für erlittene Schäden (z.B. um die Konflikte zwischen Mensch und Wolf oder Biber zu mindern). Ein Vorzeigeprojekt ist in Luxemburg sicherlich die Aktion “Combles & Clochers”, in dessen Rahmen ganz gezielt Dachböden öffentlicher Gebäude für Fledermäuse geöffnet werden, damit diese dort Wochenstuben bilden können.

In vielen Fällen profitieren unsere Säugetiere aber auch von Maßnahmen, die eigentlich für andere Arten umgesetzt werden. Streuobstwiesen die für den Steinkauz erhalten werden bieten auch der Wimperfledermaus und anderen Fledermäusen Jagdlebensraum sowie dem Gartenschläfer ein reiches Futter- und Höhlenangebot. Die Anlage von strukturierten Waldrändern kommt Wildkatze, Fledermäusen und Haselmaus zugute. Auch die Renaturierungen von Fließgewässern und anderen Feuchtgebieten werden zwar nicht direkt für Arten wie Iltis, Wasserspitzmaus, Ostschermaus oder Zwergmaus umgesetzt. Trotzdem können diese ungemein davon profitieren. In Zukunft wird der Biber mit seinen Dämmen auch ohne menschliches Einwirken den Lebensraum dieser Arten wieder herstellen.

Aber auch jede einzelne Leserin und jeder einzelne Leser kann seinen Beitrag leisten indem er z.B. den eigenen Garten säugetierfreundlich gestaltet, und auf wilde Ecken, Teiche, einheimische Bäume und Sträucher setzt und auf Pestizide und sterile Kiesbeete verzichtet. Damit wird einfach und schnell Igel, Fledermäusen, eventuell auch Sieben- und Gartenschläfer sowie Mauswiesel und Hermelin geholfen.

Wer die Säugetierfauna Luxemburgs besser kennen lernen möchte, kann dies mit dem neu erschienenen Buch „Säugetiere Luxemburgs“ tun. Denn ganz nach dem Motto des deutschen Tierfilmers Andreas Kieling, kann man nur achten was man kennt, und möchte man nur schützen was man auch achtet.

 

Zitate:

„Unsere Säugetierfauna ist sehr vielfältig und reicht von der 6 Gramm leichten Nymphenfledermaus bis hin zum imposanten Rothirsch.“

„Der Säugetierschutz reicht vom gesetzlichen Artenschutz über die Ausweisung von Schutzgebieten bis hin zur Umsetzung von konkreten Schutzmaßnahmen in der Landschaft.“
                              
„Jeder Bürger kann Säugetieren helfen: durch das Zulassen von wilden Ecken in Gärten und durch den Verzicht auf sterile Kiesbeete und Pestizide.“

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