Die Umsetzung der Europäischen Agrarpolitik: Eine Chance für die Biodiversität?

Conférence de presse (17/05/2021)

Das Observatoire de l’environnement naturel legt Vorschläge vor, mit welchen Maßnahmen die luxemburgische Landwirtschaft in Zukunft biologische Vielfalt fördern kann. Der nationale GAPStrategieplan und das nächste Agrargesetz sind jetzt die Chance, tatsächliche Fortschritte beim Schutz der biologischen Vielfalt zu erzielen. Dazu müssten die Maßnahmen so gestaltet werden, dass sie sich sowohl für die Landwirte rechnen als auch eine positive Umweltwirkung zeigen.

 

Die Reform der europäischen Agrarpolitik (GAP) ist auf der Zielgeraden. Sie sieht vor, dass die Mitgliedstaaten in Zukunft einen viel größeren Spielraum bei der Umsetzung ihrer Agrarpolitik haben als bisher. Die EU-Kommission verlangt jedoch, dass im Rahmen der zukünftigen nationalen Landwirtschaftsstrategien Maßnahmen ergriffen werden, die dem Verlust an Biodiversität deutlich entgegenwirken. Die Reform der GAP bietet somit den Mitgliedstaaten die Chance, ihre Agrar-Förderinstrumente effizient auf eine naturnahe, nachhaltige Landwirtschaft auszurichten. 

 

In Luxemburg ist das trotz aller Bemühungen der letzten Jahre bitter notwendig: 84 % der Grünland-Habitate sind nach einem Bericht des Observatoire de l’environnement naturel von 2020 in einem schlechten Zustand. Ehemals häufige Feldvögel (z. B. Steinkauz und Rebhuhn) sind stark gefährdet, oder wie das Braunkehlchen völlig verschwunden. Die Biodiversität der Agrarlandschaft ist in einem sehr schlechten Zustand. Feuchthabitate sind fast ausnahmslos in einem schlechten Zustand. Auch die Wasserqualität gibt Anlass zur Sorge, insbesondere durch Nitrat- und Pestizideinträge. Im Hinblick auf den dramatischen Verlust an Insekten sind die Folgen für die Biosysteme noch gar nicht absehbar. Als Hauptverantwortliche für den Verlust an biologischer Vielfalt steht seit Jahren die Landwirtschaft im Fokus.  

 

Konstruktive Vorschläge für Landwirtschaftsminister Romain Schneider

Doch wie lässt sich die Förderung der biologischen Vielfalt mit den berechtigten Interessen der Landwirte in Einklang bringen? Wie lassen sich nationale Gestaltungsspielräume optimal nutzen, damit sowohl Landwirte als auch die Natur auf den sprichwörtlich grünen Zweig kommen? Mit dieser Frage hat sich das Observatoire de l’Environnement naturel an zwei renommierte deutsche Forschungseinrichtungen gewandt.

Das Forschungsinstitut für biologischen Landbau (Frankfurt/Main) und das Institut für Agrarökologie und Biodiversität (Mannheim) legten im Mai 2021 ihren gemeinsamen Bericht vor, den das Observatoire auch Landwirtschaftsminister Romain Schneider präsentiert.

 

Umweltleistungen müssen sich für Bauern lohnen und wirksam sein

Die Erfahrungen der letzten Förderperioden haben gezeigt, dass die Agrarhilfen in Luxemburg nicht zu einer Verbesserung der Wasserqualität und der biologischen Vielfalt geführt haben. Ein Großteil der Umweltfördermaßnahmen ist entweder nicht zielführend oder erreicht einen viel zu geringen Flächenanteil, um Wirksamkeit zu zeigen. Einige Förderinstrumente waren sogar kontraproduktiv im Hinblick auf den Schutz der biologischen Vielfalt. Der nationale GAP-Strategieplan und das nächste Agrargesetz sind jetzt jedoch die Chance, tatsächliche Fortschritte beim Schutz der Biodiversität zu erzielen. Dazu müssten die Maßnahmen so gestaltet werden, dass sie sich sowohl für die Landwirte rechnen, als auch eine positive Umweltwirkung zeigen und einen relevanten Flächenanteil erreichen. 

Die Mindeststandards, die Zugang zu den Fördermitteln aus der ersten Säule der GAP (Konditionalität) geben, sollen in Zukunft so erweitert werden, dass sie klar über gesetzlich vorgeschriebene Umweltstandards hinausgehen. 

Die beiden Forschungsinstitute schlagen mehrere alternative Szenarien vor, wie Öko-Regelungen (Eco-Schemes) und die übrige Palette an Fördermaßnahmen (Agrarumwelt- u. Klimaschutzmaßnahmen sowie Maßnahmen zur ländlichen Entwicklung), die aufeinander abgestimmt werden können. Folgende Berechnungsmodelle bieten sich für die Öko-Regelungen an:

  • frei kombinierbare, spezifische Prämien für Einzelmaßnahmen
  • eine Art Gemeinwohlprämie für ein Paket an Maßnahmen (verbunden mit einem Punktesystem und einer erforderlichen Mindestpunktezahl)
  • eine erweiterte Landschaftspflegeprämie, mit verschiedenen Auflagen, die alle erfüllt sein müssen (wie ökologische Maßnahmen auf 10 % Acker und 10 % Grünland, mindestens 5 % nicht-produktive Landschaftselemente, Fortbildung, usw.).

 

Ohne genügende Fläche keine Wirkung

Die Forschungsinstitute schätzen, dass die Maßnahmen auf mindestens 30 % des Grünlandes und auf etwa 25 bis 30 % des Ackerlandes zur Anwendung kommen müssen, damit der Verlust an Biodiversität tatsächlich aufgehalten und die negative Tendenz gebrochen werden kann. Voraussetzung ist, dass die zur Verfügung stehenden Budgets in erwiesenermaßen wirksame Maßnahmen fließen und nicht breit gestreut werden.

Die Studie empfiehlt darüberhinaus eine bessere Koordinierung zwischen den verschiedenen Politikbereichen, den Ausbau der Beratungseinrichtungen, ein Entschuldungsprogramm für Landwirte, die ihre Produktion umstellen wollen sowie eine bessere Vermarktung für nachhaltig produzierte Lebensmittel. 

Mit der heute vorgelegten Studie möchte das Observatoire de l’environnement naturel der Politik eine faktenbasierte Grundlage für die anstehenden politischen Entscheidungen bieten. Den Landwirten soll eine reelle Möglichkeit gegeben werden, ihren Beitrag zur Sicherung der Biodiversität zu leisten. Es ist an Politik und Gesellschaft, im Zuge der Reform auf die Landwirte zuzugehen und ihre Bemühungen für eine naturnahe Produktionsweise anzuerkennen und auszubauen.

Nächster Termin

Die Studie wird am 10. Juni um 20 Uhr der breiten Öffentlichkeit während eines Webinars vorgestellt und diskutiert. Der Link zum Webinar wird im Vorfeld verschickt sowie auf der Webseite das Observatoire de l’Environnement naturel angezeigt werden.

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